Der bahnbrechende modernistische Architekt und Designer Mart Stam (1899 - 1966) aus den Niederlanden war ein berühmter Befürworter der „Neuen Sachlichkeit”, eine deutsche kulturelle Bewegung, die dafür einstand, zu unsentimentaler Realität zurückzukehren. Er hat außerdem den ersten freitragenden Stuhl in der Möbelgeschichte entworfen.
Martinus Adianus „Mart” Stam wurde 1899 im Norden Hollands geboren und erwarb seinen Abschluss in Zeichnen an der Königlichen Schule für erweiterte Studien in Amsterdam (1917 - 1919). Nach seinem Abschluss zog er nach Rotterdam, um als Bauzeichner im Architekturbüro von Marinus Jan Granpré Molière (1883 - 1972) zu arbeiten, dessen Einfluss Stams Karriere sein Leben lang begleitete.
1922 erlangte Stam das Recht, ein städtisches Planungskonzept für Den Haag zu entwerfen. Zu seinen Designs gehörten Straßen, die im rechten Winkel zum Strand verliefen, ein neues Konzept, das bis dato unbekannt war. Im selben Jahr zog Stam nach Berlin und arbeitete mit dem Architekten Max Taut (1884 - 1967) und dem russischen, progressiven Architekten El Lissitzky (1890 - 1941) - der ihm ein lebenslanger Freund wurde - an verschiedenen Projekten. Während dieser Zeit begann Stam seinen „Neue Sachlichkeit”-Stil zu entwickeln, der zu seinem Markenzeichen werden sollte.
Die Neue Sachlichkeit war eine disziplinübergreifende Bewegung und eine ästhetische Herangehensweise, die von den Weimarer Künstlern Max Beckmann, Otto Dix und George Grosz in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg gegründet worden war und sich dem praktischen Umgang mit der Welt widmete. Die Bauhausschule wurde auf diesen nüchternen, aber idealistischen Prinzipien gegründet, die Designs hervorbrachten, die sich durch reduzierte Formen und neue Materialien auszeichneten. Vertreter der Neuen Sachlichkeit drehten dem Expressionismus den Rücken zu und lehnten romantischen Idealismus ab, begrüßten dafür Realismus, Rationalität und Ordnung.
Stam arbeitete während der bahnbrechenden Ausstellung Die Wohnung für die Weißenhofsiedlung in Stuttgart 1927 mit Le Corbusier, Ludwig Mies van der Rohe, Walter Gropius, Bruno Taut, Hans Peolzig und Walter Gropius zusammen. Zu seinem Beitrag für das Projekt gehörte das Haus Nr. 28 in der Weißenhofsiedlung, das er sowohl von innen als auch von außen designte. Hier stellte er zum ersten Mal sein Set an freitragenden Stühlen vor, die ein ganz neues Genre an ähnlichen Designs auslösen sollten. Seine Stühle S33 und S34 (beide 1926) waren aus gebogenem Rohrstahl, das als das Material der Zukunft für die modernistische Ära gesehen wurde. Diese Stühle revolutionierten modernes Mobiliar, da die Widerstandsfähigkeit der Rohre gleichzeitig minimalistisches, wie auch beständiges Design ermöglichten. Der Stuhl führte zu einer Auseinandersetzung wegen Copyrights zwischen Stam und Marcel Breuer, die Stam gewann. Thonet nahm 1932 die Produktion der freitragenden Stühle Stams auf.
Während seiner Karriere hatte Stam mehrere angesehene Positionen inne. Zum Beispiel war er Herausgeber des avantgardistischen Magazines ABC - Contributions to Building, Vorstehender der Academy of Arts & Crafts in Amsterdam und Leiter der Kunsthochschule in Berlin-Weißensee. Nachdem er für eine kurze Zeit in Amsterdam gearbeitet hatte, zog Stam nach Zürich und ging 1966 in Rente. Er verstarb im selben Jahr im Alter von 86 Jahren.
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